„Allgemeine Bezeichnung für die Reaktionen des Organismus auf psychische oder physische Beanspruchung durch Stessoren (Stressfaktoren).“
Def. Pschyrembel
Akuter Stress
Entwicklungsgeschichtlich sind Stress und die entsprechenden Reaktionen für Mensch und Tier überlebenswichtig und arterhaltend. Das Leben der frühgeschichtlichen Menschheit wurde, neben Fortpflanzung, von Jagd und Flucht dominiert. In diesen Situationen waren Muskelkraft, Schnelligkeit, Gefahreneinschätzung und Reaktionsvermögen gefragt. Die Bewältigung akuter Stresssituationen hat den Erhalt des eigenen Lebens und das Überleben des Familienbundes gesichert.
Heutzutage sind lebensbedrohende Situationen nicht alltäglich. Dennoch müssen wir blitzschnell reagieren können, Entscheidungen treffen und Leistungen erbringen. Akuter Stress per se ist nicht als negativ anzusehen, kann er uns doch in bestimmten Situationen beflügeln, zu Höchstleistungen antreiben und unseren persönlichen Erfahrungsschatz erweitern. Stellen Sie sich vor, wie Sie Ihr Kind vor dem Sturz von der Schaukel auffangen konnten oder dem heranfahrenden Auto geradeso ausgewichen sind. Bewerten wir eine Situation als Stressor, wird in unserem Körper eine Kaskade (Stressreaktion) in Gang gesetzt, damit wir das Erlebte meistern können.
Wie reagiert unser Körper?
Die Bewertung, ob eine Situation als stressauslösend empfunden wird, erfolgt in unserem Gehirn (im präfrontalem Kortex- dem Sitz unseres Bewusstseins). Individuelle körperliche und geistige Voraussetzungen, Erfahrungen und unsere Persönlichkeit prägen Stresswahrnehmung und -intensität und fließen in die Bewertung ein.
Nehmen wir eine Situation als „stressig“ wahr, werden über einen Regelkreis in der Nebennierenrinde Stresshormone (vorwiegend Adrenalin/ Noradrenalin und mit Verzögerung Glukokortikoide freigesetzt. Gleichzeitig kommt es zur Aktivierung des sympathischen Nervensystems, was zu Puls- und Blutdruckanstieg, erhöhte Durchblutung von lebenswichtigen Organen (Herz, Lungen), Erweiterung der Bronchien, Steigerung der Atemfrequenz und Mehrdurchblutung der Skelettmuskulatur (besonders Arme, Beine und Schultern) führt. Im Gegenzug wird die Durchblutung des Gehirns (psychosoziales Verhalten, Humor, Moral herabgesetzt), der Haut, der Verdauungs- und Geschlechtsorgane stark minimiert. Dieser selbstständig ablaufende Anpassungsprozess sorgt dafür, dass lebenswichtige Funktionen aufrechterhalten bleiben und unsere Ressourcen (Energie) gebündelt werden.
Um das Gleichgewicht (Homöostase) in unserem Körper erhalten zu können, ist es nach einer erfolgten Stressreaktion nötig, dem Körper Ruhe und Entspannung zu gönnen. Nach einer Ruhephase sind Körper und Geist wieder in der Lage sich neuen herausfordernden Situationen anzupassen.
Chronischer Stress
Chronischer Stress entsteht, wenn das feine Gleichgewicht zwischen Stressreaktion und Entspannung gestört ist.
Dauerbelastungen können körperliche und/oder seelische Ursachen haben und meist verstärken sich beide Komponenten gegenseitig. Akute Stressreaktionen sind, wie beschrieben, primär auf Lebenserhaltung ausgerichtet und nicht zur Aufrechterhaltung der Gesundheit. Chronischer Stress kann bis zu einem gewissen Grad toleriert werden, doch hat er langfristig verheerende Auswirkungen auf unsere körperliche und geistige Gesundheit
In der heutigen Gesellschaft stehen eher psychosoziale Faktoren im Vordergrund- ständige Erreichbarkeit, Leistungsdruck, Existenz- und Zukunftsängste. Dies führt dazu, dass wir uns wie von der Zeit getriebenen fühlen und Alarmsignale nicht wahrnehmen oder ignorieren. Geistige Stressmarker können Schlaflosigkeit, Unausgeglichenheit, Gereiztheit oder Stimmungsschwankungen sein, die wiederum den sozialen Druck und die eigene Missempfindung weiter verstärken. Auf körperlicher Ebene zeigen sich typischerweise Herz-/Kreislaufprobleme (Bluthochdruck), muskuläre Verspannungen (Rückenschmerzen, Spannungskopfschmerz), Verdauungsprobleme (Verstopfung, Durchfälle) oder allgemeine körperliche Schwäche.
Was passiert in unserem Körper?
Erinnern Sie sich an die Anpassungsreaktion auf akute Stressoren. (s.o.)
Die Wahrnehmung eines Stressfaktors im Gehirn, die ausgelöste hormonelle und vegetative Reaktion in unserem Körper und die anschließende Ruhephase, in der wir wieder Kraft und Energie tanken.
Bei einer chronischen Stressbelastung entfällt die Ruhephase oder erfolgt nur ungenügend. Während der akuten Stressreaktion besteht eine hormonelle Dominanz von Adrenalin/Noradrenalin und etwas zeitverzögert werden Glukokortikoide aus der Nebennierenrinde ausgeschüttet. Während chronischer Stressbelastungen verändert sich die hormonelle Ausschüttung. Es kommt zu einem Überschuss von Glukokortikoiden. Der bekannteste Vertreter ist Cortisol, welches viele positive und überlebenswichtige Eigenschaften besitzt. Cortisol bewirkt, dass im Körper vermehrt Glukose (Hauptenergieträger) freigesetzt wird und ist außerdem an vielen anderen Stoffwechselvorgängen beteiligt. Vielleicht kennen Sie auch Kortison, eine Vorläufersubstanz, aus der medikamentösen Therapie. Kortison wird u.a. eingesetzt um Entzündungen eindämmen zu können, da es das körpereigene Abwehrsystem hemmt. Kommt es durch chronischen Stress zu einem erhöhten körpereigenen Cortisolspiegel, können erhöhte Infektanfälligkeit, verlängerte Heilungsprozesse oder Wundheilungsstörungen Folge der abwehrhemmenden Eigenschaften des Cortisols sein. Außerdem ist in unserem Körper das sympathische Nervensystem („Kampf-/Fluchtmodus“) dauerhaft aktiviert. Der Gegenspieler zum sympathischen Nervensystem ist der Parasympathikus, welcher für die Regeneration des Organismus und die Wiederherstellung der körpereigenen Ressourcen verantwortlich ist. Die Verdauungsorgane werden angeregt, was zur optimalen Nährstoffnutzung- und -verwertung führt, Puls- und Blutdrucksenkung durch Erweiterung der Gefäße, Lockerung der Muskulatur durch Mehrdurchblutung und bestmöglicher Sauerstoffversorgung und die Regulation des Schlaf-Wachrhythmus u.v.m. Dies sind physiologische Vorgänge, die den Körper gesund und vital erhalten und die geistige Verfassung stärken. Wir erinnern uns, Stressreaktionen dienen vornehmlich dem „Überleben“. Die Ruhe- und Entspannungsphasen sind Grundlage für Gesundheit und Regeneration.
Ich möchte darauf hinweisen, dass ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe. Die physiologischen Vorgänge in unserem Körper sind hochkomplex und bei einer detaillierten Ausführung für medizinische Laien unverständlich. Außerdem soll der Artikel nicht dazu dienen wage Selbstdiagnosen zu stellen- diese sind nur durch eine Anamnese durch fachkundiges Personal möglich.
Ich hoffe, dass ich Ihnen ein paar grundlegende Mechanismen nahe gebracht habe und Sie motivieren konnte, in der ein oder anderen Situation achtsamer auf Sich und Ihren Körper zu hören.
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